Mediensucht: Ab wann wird „Online-Sein“ zum Problem?
Das Internet gehört für uns alle zum Alltag – aber wann wird das tägliche Chatten, Posten und Spielen zur Sucht?
Wir haben das Handy so gut wie immer in der Tasche. Täglich wird es mehrere Stunden genutzt, auch unterwegs. Wir chatten, wir posten Bilder, wir hören Musik, wir fotografieren ...
Aber wann ist die Nutzung zu extrem? Ab wann ist man abhängig?
Normale Mediennutzung oder Sucht?
Aktuelle Studien zu Mediensucht
Laut der JIM-Studie 2022 sind 84 Prozent der Zwölf- bis 19-Jährigen täglich in ihrer Freizeit im Netz unterwegs, weitere zehn Prozent zumindest mehrmals pro Woche und nur sechs Prozent nutzen das Internet seltener. Während der Corona-Pandemie ist die Onlinenutzungszeit unter Jugendlichen stark angestiegen. Waren es 2019 noch durchschnittlich 205 Minuten, in welchen Zwölf- bis 19-Jährige täglich in ihrer Freizeit online waren, ist dieser Wert 2020 auf 258 Minuten angestiegen. Auch 2021 lag die durchschnittliche Onlinezeit noch höher als vor der Pandemie (241 Minuten), auch wenn im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang zu sehen war. 2022 liegt die durchschnittliche Onlinezeit nun bei 204 Minuten und damit wieder auf dem Niveau vor Pandemiebeginn.
Mit dem „Jugendmedienschutzindex 2022“ hat die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM) aktuelle Studienergebnisse zum Umgang von Kindern, Jugendlichen und Eltern mit Online-Risiken vorgelegt. Darin heißt es, "(...) dass deutlich mehr Kinder und Jugendliche angeben, mit bestimmten Risiken bereits in Berührung gekommen zu sein, als sie dies Heranwachsenden ihrer eigenen Altersgruppe zutrauen. Zu den meistgenannten selbst erlebten Risiken gehören: zu viel Zeit im Internet verbringen (72 %), mit zu viel Werbung in Berührung kommen (58 %), online mit verstörenden oder beängstigenden Inhalten in Berührung kommen (48 %), im Netz Personen kennenlernen, denen man nicht trauen kann (46 %), von anderen online belästigt werden (45 %) und von anderen online gemobbt zu werden (43 %)."
Ein schwer zu kontrollierender Zwang
Menschen, die online-süchtig sind, unterliegen einem Zwang, den sie nur noch schwer kontrollieren können. Sie haben also die Kontrolle über ihre Mediennutzung verloren. Das ist typisch für jede Form von Sucht. Mediensucht gilt als sogenannte Verhaltenssucht. Eine exakte und einheitliche Definition einer Online- oder auch Mediensucht gibt es bisher nicht.
Denn: Von Mediensucht zu sprechen, ist grundsätzlich schwierig. Die Sucht nach Medien ist noch nicht offiziell als Krankheit anerkannt. Zu starke oder krankhafte Mediennutzung lässt sich nicht allein an der Zeit messen. Wichtig ist vor allem, inwieweit es durch die Online-Nutzung zu gesundheitlichen, leistungsbezogenen, sozialen oder emotionalen Problemen kommt.
Instagram, YouTube, WhatsApp & Co können abhängig machen
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2018 offiziell Kriterien für eine Computerspielsucht festgeschrieben. Damit wird aber nur ein Teilbereich des breiten Medienspektrums abgedeckt. Hinzu kommen viele weitere Anwendungen wie Messenger (z.B. WhatsApp), Soziale Netzwerke (wie Instagram) oder Videoportale (wie YouTube). Auch diese Angebote können durchaus süchtig machen – das ist zumindest das Ergebnis einer Forsa-Studie im Auftrag der Krankenkasse DAK.
Bist Du von Mediensucht betroffen?
Ein Selbsttest
Unser Check kann Dir zeigen, ob Du vielleicht online-süchtig sein könntest.
Er ersetzt aber keine professionelle Einschätzung!
- Vernachlässigst Du Deine Freund:innen, die Schule oder Dich selbst, um Online-Games zu zocken, Deine Social-Media-Kanäle zu checken, bei WhatsApp zu chatten, oder Videos bei YouTube anzuschauen?
- Denkst Du an Social Media, Games & Co, auch wenn Du Dein Handy gerade nicht nutzt?
- Hast Du ein großes Verlangen weiterzuspielen, zu chatten oder zu surfen und kannst dem Drang nicht widerstehen?
- Suchst du nach Ausreden, um weiter online sein zu können?
- Nutzt Du das Internet als Kanal für Deine Gefühle, zum Beispiel um Stress, Wut oder Traurigkeit zu verdrängen?
- Hast Du Entzugserscheinungen, wenn Du mal keinen Zugang zu Deinem Handy, Tablet oder Laptop hast, wie zum Beispiel Schlafstörungen, Gereiztheit und Schweißausbrüche?
- Bist du nach Phasen, in denen Du mal nicht am Handy warst, umso länger online?
- Gab es in der Schule, bei der Ausbildung oder Zuhause mit Freund:innen, Eltern oder Lehrer:innen öfter Streit, weil Du nicht auf Deine Online-Aktivitäten verzichten kannst?
- Hast Du eventuell auch körperliche Probleme wie Fehlhaltungen, Übergewicht, Hand-, Rücken- oder Kopfschmerzen?
Bei diesen Anzeichen wäre es gut, wenn Du Dein Online-Verhalten überdenkst und änderst und dir Hilfe suchst.
Auch die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung bietet einen schnellen Selbsttest zu Computerspiel- und Internetsucht mit detaillierter Rückmeldung an.
Diese Tipps können Dir helfen
- Setze Dir feste Handy-Zeiten und -Regeln, um Deine Online-Nutzung besser unter Kontrolle zu bekommen. Und sprich mit anderen darüber – sie können Dir helfen, auf die Einhaltung Deiner Regeln zu achten. Lege Dein Handy z.B. einfach mal eine zeitlang in ein anderes Zimmer.
- Nutze eine Armbanduhr, statt der Handy-Uhr. Auch dadurch reduzierst Du Deine Online-Zeit.
- Stelle in den Einstellungen von Apps die Push-Benachrichtigungen aus, damit Du nicht immer von anderem abgelenkt wirst, wenn Du z.B. eine Nachricht bei WhatsApp oder Instagram bekommst.
- Kontrolliere Deine Bildschirmzeit mithilfe von Apps. Es gibt bestimmte Apps, mit deren Hilfe Du feststellen kannst, wie lange Du am Handy warst und was Du gemacht hast. Apps, die Du nutzen kannst, sind z.B. "AppDetox", "QualityTime" oder auch "Forest". Unsere Scouts stellen diese Apps in ihrem Video vor und geben weitere Tipps.
- Finde heraus, weshalb die Online-Welt in Deinem Leben so wichtig geworden ist und was Du in Deinem realen Leben ändern kannst.
- Frage Dich, was Dir offline wichtig ist, und versuche wieder bewusst mehr Zeit dafür einzuplanen. Vielleicht hast Du ja mal ein Hobby gehabt, dem Du wieder (mehr) nachgehen könntest? Oder Du fängst ein neues an, z.B. ein Musikinstrument, Sport, Lesen ...
- Hol Dir Hilfe. Sprich mit einer Vertrauensperson über Deinen Medienkonsum.
Außerdem gibt es professionelle Beratungsstellen, wie z.B.:- den Verein Internetsuchthilfe e.V.,
- den Fachverband Medienabhängigkeit e.V.,
- die Fachstelle Mediensucht return und die Initiative dieser Fachstelle return to reality,
- uns noch viele weitere Hilfsangebote
Natürlich kannst Du Dich auch jederzeit mit deiner Frage an unsere JUUUPORT-Scouts wenden! Sie beraten Dich gern. Du kannst Dir auch erstmal eine beispielhafte Beratungsanfrage zu Medienkonsum anschauen.
Rap-Song und Clips zu Mediennutzung
Unsere Scouts haben sich intensiv mit dem Thema Mediennutzung beschäftigt und dazu auch einige Videos produziert.
Kevin hat zum Beispiel einen Rap-Song zum Thema Mediensuchtgeschrieben. Unten kannst Du Dir das Video "Ich bin (nicht) süchtig!" direkt anschauen.
Darüber hinaus findest Du bei Instagram zwei Highlights mit den Titeln: Handysucht und Leben mit Smartphone.
Und unsere Scouts haben einen kreativen One-Shot produziert.
Schau doch mal rein!
Online-Seminar „Status: online“ – Wenn das Internet zur Sucht wird
Wir haben ein Online-Seminar zum Thema Medienkonsum entwickelt, das von Schulklassen oder Jugendclubs gebucht werden kann.
Hier zeigen wir Dir, woran Du Mediensucht erkennen und wie Du ihr vorbeugen kannst, mit wem Du sprechen kannst, wenn Du Deinen eigenen Konsum kritisch findest und wie Du auch Deine Freund:innen dabei unterstützen kannst.
Exkurs Pornosucht
Pornos sind nicht automatisch schlecht
Erst einmal sind Pornos nicht sofort etwas Schlimmes. Es ist ganz normal, wenn sich junge Menschen dafür interessieren. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass mehr als 70 % der männlichen Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren täglich bis wöchentlich Pornografie konsumieren, jeder fünfte Junge schaut täglich Pornos (WDR Quarks-Studie 2017/18). Auch Mädchen schauen sich zunehmend pornografische Inhalte an. Wie so oft ist es entscheidend, wie häufig und in welchem Ausmaß Pornos angeschaut werden. Denn zu häufiger Pornokonsum kann die natürliche Sexualität gefährden und Beziehungen zerstören. Für Kinder sind Pornos definitiv noch nicht geeignet!
Pornosucht: Ab wann ist man süchtig?
Folgende Punkte können Dir zeigen, ob Du eventuell süchtig nach Pornos bist:
- Du schaust häufig und regelmäßig Pornos.
- Sexualität und sexuelle Fantasien spielen eine große Rolle in Deinem Alltag.
- Dein Pornokonsum hat negative Auswirkungen auf Deine schulischen Leistungen.
- Du hältst Deinen Pornokonsum geheim, keiner soll davon wissen.
- Wenn Du einsam oder traurig bist, schaust Du Dir Pornos an, weil sie Dir ein gutes Gefühl geben und Du so vor den schlechten Gefühlen flüchtest.
- Du kannst nicht damit aufhören, Pornos zu schauen, auch wenn Du es wirklich möchtest und versuchst.
Wenn diese Punkte auf Dich zutreffen, solltest Du aufmerksam werden und Dir gegebenenfalls professionelle Hilfe holen.
Erste Hilfe bei Pornosucht
Eine Sucht ist zwar eine Erkrankung, aber es gibt Mittel und Wege, sie zu überwinden:
- Informiere Dich! Im Internet gibt es viele Artikel, die sich mit dem Thema Pornosucht beschäftigen.
- Entzug: Ein Entzug ist auch bei Pornosucht entscheidend. Es gibt zum Beispiel spezielle Filtersoftwares oder Apps, die den eigenen Pornokonsum überwachen. Außerdem helfen klare Zeiten, in denen Du das Handy mal ganz zur Seite legst.
- Selbsthilfegruppen: Es kann helfen, wenn Du merkst, dass Du nicht allein bist mit Deinem Problem. In Selbsthilfegruppen kann man sich über Porno- oder Sexsucht austauschen und sich gegenseitig unterstützen.
- Dir etwas Gutes tun: Suche Dir ein neues Hobby, probiere eine neue Sportart aus. Hier lernst Du neue Leute kennen und findest einen neuen, sinnvollen Inhalt für Deine Freizeit. Aber auch Entspannungsübungen wie Meditation oder Yoga können Dir helfen, zu Dir zu kommen und Dich abzulenken.
Information und Beratung bei Pornosucht
Weitere nützliche Informationen zu Pornographie und Pornosucht sowie Beratung gibt es z.B. bei:
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/o/online-sucht.html
https://www.schau-hin.info/sicherheit-risiken/mediensucht-wann-ist-viel-zu-viel
https://www.schau-hin.info/studien/studie-mehr-als-100000-teenager-suechtig-nach-social-media
https://www.tk.de/techniker/gesundheit-und-medizin/behandlungen-und-medizin/sucht/onlinesucht-2015702
https://www.caritas.de/hilfeundberatung/ratgeber/sucht/computersucht/tipps#Beratung
https://www.mediclin.de/Zielgruppen/P-A/Patienten-und-Angehoerige/Im-Fokus/Mediensucht/Mediensucht-10-Fragen.aspx
https://www.klicksafe.de/service/aktuelles/news/detail/veroeffentlichung-der-jim-studie-2020-zur-mediennutzung-von-jugendlichen/
https://www.return-mediensucht.de/wissen-sie-was-kinder-und-jugendliche-konsumieren/
https://www.swr3.de/aktuell/beziehungsshow/pornosucht-erkennen-sexsucht-hilfe-pornosuechtig-100.html
https://www.tk.de/techniker/magazin/lifestyle/liebe-sex-partnerschaft/mypornme/pornosucht-loswerden-2090112
https://www.tk.de/techniker/magazin/lifestyle/liebe-sex-partnerschaft/mypornme/pornosucht-erkennen-ist-der-erste-schritt-2074170