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„Einige Bilder habe ich noch genau vor Augen“

Die JUUUPORT-Scouts Carl und David über Gewaltvideos im Netz

In der Öffentlichkeit wird in letzter Zeit sehr oft über Gewaltvideos diskutiert, die unter Jugendlichen via WhatsApp, TikTok & Co geteilt werden. Die Empörung über diese Videos, aber auch die Sorge um Kinder und Jugendliche sind groß. Wie so oft wird allerdings meistens aus der Perspektive von Erwachsenen darüber berichtet.

Aber was sagen eigentlich Jugendliche bzw. junge Erwachsene selbst zu dem Thema?
Die JUUUPORT-Scouts Carl (17) und David (20) geben Antworten.

 

Hallo Carl und David, welche Art Videos werden unter Jugendlichen geteilt?

Carl: In der 7. Klasse hatte ein Freund, der selbst einige ältere Freunde hatte, Hinrichtungsvideos auf seinem Handy. Das war natürlich extrem brutal. Aber es kursieren auch alle möglichen anderen Videos, zum Beispiel Videos von Schlägereien. Wenn sich in der Schule jemand prügelt, ist die erste Frage, ob es davon ein Video gibt. Das heißt, es ist schon normal, dass das sofort jemand filmt. Und das Video wird dann natürlich entsprechend kommentiert: „wie krass“, „der hat bestimmt gewonnen“, usw. Was mich aufregt ist, dass Leute direkt ihr Handy rausholen und das filmen. Daran wird als allererstes gedacht. Gewalt in der Schule ist ja leider nichts Neues, aber heute ist es so, dass die Gewalttaten anschließend mit viel mehr Leuten geteilt werden können. Das sind dann die großen News in der Schule. Aber nicht nur Gewaltvideos sind besonders interessant. Es können auch harmlose Videos sein, zum Beispiel davon, wie jemand betrunken ist. Es gibt wirklich von allem ein Video.

David: Mir ist außerdem aufgefallen, dass vor allem zu Beginn des Ukraine-Krieges viele brutale Videos aus diesem Zusammenhang geteilt wurden. Aber auch sexuelle Gewalt, Videos von Unfällen oder Anschlägen, wie einer Messerattacke in Frankreich, sind ziemlich verbreitet.

Wusstest Du ...?

... dass das Fotografieren und Filmen anderer Personen sowie das Verbreiten dieser Aufnahmen nur mit dem Einverständnis der Abgebildeten erlaubt ist?

Das besagt das „Recht am eigenen Bild“.

Das Recht am eigenen Bild gilt übrigens auch für Menschen, die sich in öffentlichen Straßen oder Plätzen aufhalten. Solange sie „unwesentliches Beiwerk” sind, ist keine Erlaubnis nötig. Sticht eine Person aber heraus und ist gut erkennbar, darf das Foto nur mit ihrer Erlaubnis veröffentlicht werden.

 

Habt Ihr selbst auch schon solche Videos bekommen?

Carl: Ja, eigentlich immer von Leuten, die ich kenne. Videos von fremden Nummern oder so habe ich noch nie bekommen. Früher habe ich auch mal andere nach solchen Videos gefragt. Man ist natürlich auch irgendwie neugierig. Heute denke ich, dass das völlig unnötig ist. Aber wenn man solche Videos sehen möchte, dann ist es sehr einfach. Meistens sind das dann Videos von Leuten, die irgendeine Schlägerei gefilmt haben.

David: Ja, in der Schule wurden ab und zu im Klassenchat solche Videos geteilt. Aber vor allem findet man solche Videos in den sozialen Netzwerken. Manchmal gibt es zwar eine Warnung wie, dass es sich um sensiblen Content handelt, aber meistens guckt man es sich dann eben doch aus Neugierde an. Und dann werden ähnliche Inhalte angezeigt, denen man nicht immer gleich ansieht, worum es geht. Und es gibt ja auch bestimmte Plattformen, die extra für solche Inhalte ausgelegt sind.

Wie reagiert Ihr, wenn Ihr gewaltvolle Inhalte zu sehen bekommt?

Carl: Früher war das Ganze schon ein bisschen wie eine kleine Mutprobe – hinzuschauen, auch wenn das Video wirklich verstörend ist. Heute schaue ich mir die Videos nicht mehr an und lösche sie direkt. Und wenn mir jemand eins auf seinem Handy zeigen will, sage ich, dass ich das nicht sehen möchte. Meistens wird das auch akzeptiert.

David: Es ist schon sehr schwer, nicht hinzuschauen, wenn man so ein Video zugeschickt bekommt. Wenn so ein Video z.B. in der Klasse geteilt wurde, dann kannte es auch jeder. Heute kann ich mich besser davor schützen.

Hat Euch das Gesehene nachträglich auch mal verfolgt?

Carl: Ein bestimmtes Video blieb mir ganz lange im Kopf, aber ich habe gelernt damit umzugehen. Es war ein Video aus Brasilien oder so. Eine Person hatte eine Stopp-Schild im Kopf und wurde operiert. Das hat man alles ganz genau gesehen. Und die Brust des Menschen hat sich noch bewegt, das war echt schlimm …

David: Einige Bilder habe ich schon noch vor Augen. Aber mit der Zeit stumpft man im gewissen Sinne ab. Natürlich kommt es dabei aber sehr auf die jeweilige Person an. Je jünger man ist, desto schwieriger ist natürlich auch die Differenzierung vom Gesehenen. Weil manche Videos so real sind, sind sie auch besonders verstörend. Bei Horrorfilmen oder so weiß man ja, dass das Fiktion ist. Und da ist auch klar, dass sie ab 18 sind. Videos von echten Gewalttaten oder Unfällen sind umso heftiger. Ich meine, wer ist wirklich schon mal Augenzeuge von so schlimmen Ereignissen? Aber durch kursierende Videos wird quasi jeder zum Augenzeugen. Und manche können das vielleicht nicht gut verarbeiten. Es werden ja auch immer nur Ausschnitte gezeigt. Der Kontext fehlt.

Über welche Kanäle werden brutale Inhalte vor allem geteilt?

Carl: Vor allem über TikTok, Instagram (in der Story), Snapchat und Airdrop. Es gibt zum Beispiel Schlägerei-Accounts auf Instagram, wo dann alle Videos gesammelt werden. Allerdings werden die zum Glück früher oder später gesperrt. Das Schlimmste ist aber echt TikTok. Manche Videos lassen sich dort zwar nicht hochladen, z.B. sexuelle oder eben sehr gewaltvolle Inhalte. Aber das wird von einigen einfach umgangen, indem an den Anfang eines Videos ein Bild von etwas ganz Harmlosen wie einem See oder Ähnliches gestellt wird. Und danach kommen dann die krassen Inhalte. So ein Video wurde dann bei ganz vielen Leuten auf der Foryou-Page angezeigt. Bis das entdeckt wurde, hatte es schon sehr viele Views und auch Likes. Der Algorithmus pusht das dann richtig nach oben.

David: Auch auf Plattformen wie Reddit gibt es Gewaltvideos. Und natürlich werden solche Videos auch über WhatsApp geteilt.

Sind solche Videos für Jugendliche bzw. junge Erwachsene vielleicht schon normal?

Carl: Es ist schon in gewissem Sinne normal, denn fast jeder hat Social Media und leider auch Videos mit Gewalt auf dem Handy. Ein ganz normales Gespräch verläuft z.B. so: „Ey, hast Du schon das Video gesehen, wo in London dieser eine Typ vom Gebäude gesprungen ist?“ Oder „Kennst Du schon das Video mit diesem heftigen Autounfall?“

David: Gewaltvideos sind auf jeden Fall immer mehr Mainstream.

Warum werden sie geteilt?

Carl: Das hat viel mit Beliebtheit zu tun. Die anderen sehen denjenigen, der ein krasses Video hat, als cool an – und er oder sie bekommt Aufmerksamkeit. Die Leute reden dann natürlich darüber.

David: Genau, man möchte sich nicht ausgeschlossen fühlen und mitreden können.

Laut Kriminalstatistik für das Jahr 2022, die vom Bundeskriminalamt veröffentlicht worden ist, sind Straftaten, die durch Kinder und Jugendliche begangen worden sind, angestiegen. Habt Ihr das Gefühl, dass junge Menschen gewaltbereiter werden?

Carl: Ja, ich denke, wenn man in jungen Jahren diese Videos sieht, wird es irgendwann zur Gewohnheit. Und dann wird es vielleicht auch normaler, einfach mal zuzuschlagen. Ich glaube, dass das definitiv einen Einfluss hat.

David: Man merkt auf jeden Fall, dass es eine höhere Nachfrage nach gewalttätigem Content gibt. Die Anziehungskraft ist größer geworden, wahrscheinlich weil man eben auch deutlich mehr damit konfrontiert wird. Wenn Kinder und Jugendliche das sehen, dann wird Gewalt vielleicht auch für sie selbst als Problemlösung normaler. Bilder können Hass und auch Vorurteile schüren. Und in der Community kann dann auch zu realer Gewalt aufgerufen und animiert werden. In den Kommentaren stacheln sich viele gegenseitig an.

Wusstest Du ...?

... dass die Herstellung und Verbreitung von Medien (also Videos oder Fotos), die grausame oder unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen zeigen, verboten sind (§131 StGB)?

Eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr ist möglich.

Du solltest Dich also klar von solchen gewaltvollen Inhalten distanzieren.

 

Was würdet Ihr Euch von Erwachsenen wünschen? Von Eltern, Lehrer:innen oder auch der Polizei. Fühlt Ihr Euch ausreichend unterstützt bzw. geschützt?

Carl: Die Polizei hat nur begrenzte Kapazitäten. Ich denke, sie tut, was sie kann. Lehrer:innen bekommen meistens nichts davon mit, was unter Schüler:innen so passiert, die reden hauptsächlich unter sich. Wenn Lehrer:innen doch mal etwas mitbekommen, greifen sie vielleicht nicht ein, weil gerade Wichtigeres zu tun ist. Lehrer:innen könnten aus meiner Sicht mehr tun. Wenn es eine:n Lehrer:in geben würde, der/die sich mit dem Thema auskennt und darum kümmert, hätte man vielleicht eine Chance. Man muss allerdings früh genug ansetzen, spätestens in der 6. Klasse. Und Eltern können ihrem Kind zwar etwas verbieten, aber wenn ein Kind etwas möchte, dann wird es einen Weg finden. Social-Media-Entzug ist jedenfalls nicht der richtige Weg. Denn dann ist das Kind in der Schule einfach außen vor. Als Eltern sollte man dem Kind sagen, dass es diese Online-Gefahren gibt und zeigen, dass man mit ihnen darüber offen reden kann. Eine gute Beziehung zwischen Eltern und Kindern ist das Wichtigste. Dann vertrauen sich die Kinder auch an, wenn wirklich mal was richtig schiefläuft.

David: Für Digitalkompetenz unter Jugendlichen wird auf jeden Fall noch zu wenig getan. Das müsste mehr thematisiert und am besten fest im Unterricht verankert werden. Aber die Personen, die das thematisieren müssen sich auf jeden Fall gut damit auskennen. Sonst werden sie nicht ernst genommen. Und was die Eltern angeht, gebe ich Carl recht: Verbote bringen nichts.

Danke für das Gespräch!

 

Carls und Davids Tipps zum Umgang mit gewalttätigen und verstörenden Videos 

✅ Stelle AirDrop in der Schule aus.

✅ Schaue Dir Bilder oder Videos – vor allem von unbekannten Kontakten – nicht an, sondern lösche sie am besten direkt.

✅ Überprüfe Deine Privatsphäreeinstellungen. Bei WhatsApp kannst Du z.B. einstellen, ob Inhalte automatisch heruntergeladen werden sollen oder du das erst manuell bestätigen musst (Einstellungen 👉
Speicher und Daten 👉 Autom. Download von Medien 👉 Fotos bzw. Videos 
👉 Niemals).

✅ Lass Dich nicht unter Druck setzen, mitreden zu können. Wenn Du doch unbedingt wissen willst, was in dem Video zu sehen ist, kannst Du es Dir zur Not auch erzählen lassen. Bilder können sehr stark und lange wirken und verstören. Schütze Dich selbst!

✅ Melde gewaltvolle Inhalte.

✅ Wende Dich an eine Vertrauensperson, damit Du nicht damit alleine bleiben musst, vor allem, wenn das Gesehene Dich stark mitnimmt.

✅ Informiere die Polizei, vor allem dann, wenn jemand eventuell akut gefährdet ist.

 

Mehr Infos und Beratung zu Gewaltvideos im Netz

In unserem Artikel über Happy Slapping findest Du weitere Infos über Gewaltvideos.

Hast Du Videos gesehen, mit denen Du Dich unwohl fühlst?

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