„Fête de la Musique“: Jugendliche über Online-Hass gegen Frauen

Beim diesjährigen Festival Fête de la Musique kam es in mehreren Städten Deutschlands zu verstörenden Vorfällen: Frauen wurden offenbar gezielt mit Spritzen attackiert und dabei verletzt. Die Polizei ermittelt, das Motiv ist noch unklar – doch der Verdacht liegt nahe, dass es sich um gezielte Gewaltakte gegen Frauen handelt. In sozialen Netzwerken kursieren bereits seit Längerem frauenverachtende Aufrufe, auch mit Bezug zu sogenannten „Incel“-Gruppen.
In unserem Interview sprechen wir mit zwei Jugendlichen – Arved (14) und Oskar (15) –, die uns ihre Sicht auf die Vorfälle schildern.
Wir wollen wissen:
Wie erleben junge Männer solche bedrohlichen Nachrichten?
Wie sehr sind sie online mit problematischen Inhalten konfrontiert?
Und wie kann es gelingen, als junger Mann Haltung zu zeigen und sich aktiv für den Schutz von Frauen stark zu machen?
Interview mit zwei jungen Männern
Oskar, du hast von den Angriffen bei der Fête de la Musique gehört. Was war dein erster Gedanke, als du davon gelesen hast?
Oskar: Als ich das erste Mal gehört habe, dass auf dem Festival „Fête de la Musique" Frauen mit Spritzen gestochen wurden, war ich absolut fassungslos und auch geschockt, dass Leute sowas machen. Erst recht, weil sie sich offenbar haben anstiften lassen von irgendwelchen anderen Personen, die solche Sachen auf Social Media posten. Natürlich ist bei denen, die so etwas machen, wahrscheinlich auch nicht nur das falsch gelaufen. Und ich habe mich auch gefragt, warum man so etwas tut.
Arved, wie hast du davon erfahren?
Arved: Ich habe zuerst auf Tiktok davon erfahren. Dort hieß es, dass es gezielte Angriffe auf Frauen mit Spritzen gab. Ich konnte das erst gar nicht glauben und habe mich gefragt, wer sowas macht.
Habt ihr in euren sozialen Medien auch Posts gesehen, die gezielt Hass gegen Frauen verbreiten? Oder Gruppen, in denen so etwas verharmlost wird?
Arved: Ich habe bisher noch keine Gewalt gegen Frauen in den sozialen Medien gesehen, jedoch schon Aufforderungen dazu, weil sie den Männern „unterstehen und gehorchen sollen". Gruppen, wo so etwas gefordert wird, kenne ich nur aus den Nachrichten, aber habe sie noch nie auf TikTok oder so gesehen. Wenn mir so etwas begegnet, sind es Einzelpersonen, die ein persönliches Problem haben.
Oskar: Ich persönlich habe von Aktivitäten in diese Richtung nichts mitbekommen, weswegen ich um so mehr erschrocken war als ich dann davon in den Nachrichten erfahren habe.
Was denkt ihr, warum manche junge Männer sich von so extremen Gruppen angesprochen fühlen?
Oskar: Es gibt natürlich Ausnahmen, aber hauptsächlich denke ich, dass dieses Verhalten durch die Eltern und deren Erziehung kommen kann. Außerdem könnte es mit der persönlichen Erfahrung der Männer mit Frauen zu tun haben. Vielleicht kommen sie bei Frauen nicht so gut an und sind frustriert oder so.
Arved: Ich denke, dass sich junge Männer davon angesprochen fühlen, da sie vermutlich so erzogen wurden oder ihnen mal das Herz gebrochen wurde. Vielleicht wurden sie auch mal bloßgestellt. Und dafür geben sie jetzt sozusagen allen Frauen die Schuld und suchen in den jeweiligen Gruppen nach Gleichgesinnten.

Gibt es aus eurer Sicht genug Angebote für Jungen und junge Männer, um über Männlichkeitsbilder und Gewalt zu sprechen – auch online? Kennt ihr Angebote?
Arved:Ich kenne keine speziellen Einrichtungen, ich weiß aber, dass es welche gibt, zum Beispiel in Jugendzentren. Meiner Meinung nach sollte man aber, wenn man über Männlichkeitsbilder reden will, möglichst zu seinem Vater oder auch zu seiner Mutter gehen. Eltern können und sollten ihren Kindern einen respektvollen Umgang mit Mitmenschen beibringen, egal welches Geschlecht diese haben. So kann man eigentlich am besten verhindern, dass sich eine toxische Männlichkeit entwickelt. Denn in den meisten Fällen vertrauen Kinder ja ihren Eltern – außer sie haben ein schlechtes Verhältnis. Dann könnten auch Infos in der Schule dazu helfen.
Oskar: Ich kenne tatsächlich keines solcher Angebote, was wahrscheinlich
genau das Problem ist. Man müsste den Leuten die Angebote sprichwörtlich vor die Nase halten, damit sie diese annehmen. Denn wenn jemand wie ich solche
Angebote nicht kennt und nicht weiß, wie es „normal" ist, dann kann man sie auch nicht annehmen. Und aktiv danach suchen, tun einfach die allerwenigsten. Also, mein Fazit ist, dass es wahrscheinlich sinnvolle Angebote gibt, diese aber nicht genug verbreitet bzw. unter Jugendlichen bekannt gemacht werden.
Was würdet ihr anderen jungen Männern sagen, wenn sie solche Inhalte sehen oder mitbekommen, dass jemand frauenfeindlich redet?
Oskar: Leute, die solche Inhalte wie über die Attacken bei der Fête de la Musique lesen oder gar vor Ort sehen, sollten diese Inhalte online als erstes melden und die Personen blockieren. Vor Ort sollten sie die Polizei rufen. In beiden Fällen sollten sie ihren Eltern Bescheid sagen und sich Unterstützung holen.
Arved: Ich würde anderen jungen Männern ebenfalls empfehlen, solche Inhalte zu melden und diesen Inhalten aus dem Weg zu gehen. Man kann seinen Algorithmus ja auch aktiv beeinflussen, indem man sich solchen Content nicht mehr anschaut und ihn damit auch nicht unterstützt.

Haltung zeigen
Die Angriffe auf der Fête de la Musique haben viele Menschen verunsichert – besonders Frauen, die sich fragen, ob öffentliche Räume noch sicher für sie sind. Klar ist: Gewalt beginnt nicht erst mit körperlichen Übergriffen. Auch online kann sich ein gefährliches Klima aufbauen, das reale Taten vorbereitet.
Deshalb ist es umso wichtiger, dass gerade junge Männer hinschauen, sich positionieren – und solidarisch handeln. Für Betroffene von (sexualisierter) Gewalt gibt es anonyme und niedrigschwellige Hilfsangebote:
👉 Bei JUUUPORTkönnen sich junge Menschen online beraten lassen.
👉 Übergriffe oder gefährliche Inhalte können gemeldet werden, direkt auf der entsprechenden Plattform oder auch über unser Meldeformular.
👉 In akuten Fällen: Polizei einschalten.
Außerdem empfehlen wir unser Interview mit Scoutin Mirella über die Netflix-Serie „Adolescence“. Darin spricht sie offen über ihre Erfahrungen mit toxischer Männlichkeit und wie junge Menschen mutig Haltung zeigen können:
👉 Zum Interview mit Mirella
Lasst uns gemeinsam daran mitwirken, dass unbeschwertes Feiern möglich ist
– egal ob für Männer oder Frauen!